Wirf einfach ein Laken drüber

Wir waren mit drei Hebammen im Spätdienst bei fünf voll belegten Kreißsälen, also übermäßig belastet. Eine Frau war unter Einleitung der Geburt am CTG. Das ist ein Gerät, das Herzfrequenz des Babys und die Wehentätigkeit der Gebärenden misst. Keiner konnte ein Auge auf sie haben, da alle Kreißsäle mit Gebärenden belegt waren.

Der 3. Kreißsaal sollte geputzt werden. Auf den Platz in diesem Kreißsaal wartete bereits eine stark mit Wehen belastete Frau unter Geburt in der Entspannungswanne.

Ich wollte ihn gerade putzen lassen, da hörte ich laute Rufe der Ärzte aus dem CTG-Zimmer: Die Herzfrequenz des Babys war stark abgefallen.

Plötzlich kamen zwei Ärzte rechts und links mit der Patientin in ihrer Mitte eingehakt auf den Flur und riefen einen Notkaiserschnitt aus. Und jetzt?

Kein anderer Kreißsaal war frei, der OP besetzt. Nur der eine Kreißsaal mit einem völlig blutverschmierten Kreißbett einer anderen Patientin war nicht belegt.

Das rief ich den Ärzten zu. Ihre Antwort lautete: „Wirf einfach Laken drüber“. Schon wurde die Patientin auf das Kreißbett „manövriert“.

In aller Deutlichkeit heißt das: Sie musste – mit weit aufgerissenen Augen, sichtbar schockiert und mit nackten Füßen – über den Flur zu ihrem eigenen

Notkaiserschnitt laufen. Wir hatten in diesem Dienst einfach nicht die Kapazität, diese Frau zu betreuen bzw. eine Pathologie des CTGs rechtzeitig zu bemerken, weil alle verfügbaren Hebammen zu viele Gebärende gleichzeitig betreuen mussten.

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