Eine frisch eingearbeitete Intensivpflegekraft erzählt

Es war ein Dienst auf einer vollbelegten 30-Betten Intensivstation. Es waren sechs Intensivpflegekräfte, zwei Pflegekräfte ohne intensiv- Erfahrung und ein Krankenpflegehelfer geplant. Nicht wegen kurzfristigem Krankheitsausfall, sondern geplant in dieser Besetzung. Wegen der Zimmeraufteilung und zwei laufenden Herz-Lungen-Maschinen (ECMOs) musste ich sechs Patienten in sechs Einzelzimmern betreuen (statt zwei, wie es mir zu meiner Bewerbung versprochen wurde). Auf meinen Einwand, dass dies nicht zu verantworten sei, erhielt ich die Antwort „du hast ja eine Pflegekraft ohne Intensiverfahrung bei dir, anders geht es halt nicht, außer du machst ECMO.” Da ich nie in die ECMO eingearbeitet wurde, war das keine Option. Ich war selbst erst seit 2 Wochen aus der Einarbeitung. Sechs Patienten, über sechs Zimmer verteilt. Davon waren drei beatmet, ein Patient isoliert mit multiresistenten Erregern („Krankenhauskeimen”), ein Covid19-Patient und eine Patientin bei stark reduziertem Immunsystem unter Chemotherapie. Ich musste also extrem vorsichtig sein und 100 % hygienisch arbeiten. Allein, dass diese Patient:innen räumlich nah beieinander lagen war gefährlich. Dass diese Patient:innen nun noch von der gleichen, unerfahrenen Pflegekraft betreut wurden, bei einer 1-zu-6 Betreuung und dabei keinen Schaden nehmen würden, war quasi unmöglich. Ich wiederholte meine Gedanken sowohl bei der Pflegeleitung als auch bei der ärztlichen Visite, ohne Konsequenz. Ich habe in dieser Schicht keinen Schluck getrunken, geschweige denn gegessen, was gut war, denn so musste ich nicht auf die Toilette. Mein Körper hat funktioniert, ich habe die Patient:innen wie auf einem Laufband abgearbeitet, kaum gesprochen. Ich kam nicht mal mehr dazu mich zu beschweren. Ich weiß noch, dass ein Patient einer anderen Kollegin vier Stunden lang reanimiert wurde und ich das erst nach zwei Stunden mitbekommen habe. Als ein Oberarzt mich anschnauzte, dass der rote Alarm eines Patienten seit drei Minuten klingele und niemand reagiere, zuckte ich nur mit den Schultern. Nach zwei Überstunden saß ich in der Umkleide auf dem Boden und konnte nicht mal mehr aufstehen. Der Stress und damit die Hormone, die bis eben meinen Körper laufen lassen hatten, waren jetzt verschwunden. Ich war unterzuckert, mein Kreislauf war am Minimum, ich zitterte am ganzen Körper. Ich wusste wie wichtig es ist als Intensivpflegerin zu essen und zu trinken, wie lebensgefährlich es sonst sein kann und auch, dass ich keinem helfen kann, wenn man mir helfen muss. Aber in der panischen Angst davor einen Fehler zu machen und dadurch eine:n Patient:in zu verlieren, kam mir nicht einmal der Gedanke zu essen oder zu trinken. Deswegen fordern wir, dass die alltägliche Gefährdung ein Ende haben muss und eine 1-zu-2 Betreuung Mindeststandard sein muss.

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